Wann immer mich mein Weg in oder durch eine fremde Stadt führte, hielt ich, eine Sportzeitung unterm Arm, Ausschau nach Flutlichtmasten. Untrügliches Zeichen örtlicher Fußballkunst. Das Stadion: Zentrum meiner Welt. Das, um was sich alles drehte und um was herum sich alles andere später gliedern und anordnen konnte. Und so ist das heute noch: Wann immer ich irgendwo bin wo ich noch nie war, grase ich den Himmel über mir nach Flutlichtmasten ab, um mich dann, klopfenden Herzens auf den Weg zum Stadion, meinem Wallfahrtsort, zu begeben. Fußball ist meine Religion, und die Stadien sind meine Kirchen. Ganz egal, ob sie nun in Mailand oder London, Offenbach oder Gossau stehen. Ganz egal auch, ob es Kathedralen oder eher notdürftig zusammengeflickte Bretterverschläge sind. Zelebriert wird in jeder Kirche das selbe, neunzig Minuten plus Nachspielzeit dauernde Spiel, alle sprechen die selben Gebete zum selben Fußballgott („Lieber Fußballgott, bitte schenk uns heute drei Punkte“) – und niemand weiß, wie das Spiel ausgehen wird. Genau das ist auch der Grund, warum die Leute selbst nach schlimmsten Niederlagen und grässlichsten Kicks immer wieder kommen. Das ist Leidenschaft. Oder Fatalismus. Oder einfach die ewig unkaputtbare, kindlich- naive Vorfreude auf eine Wundertüte, die womöglich nur Schrott, auf jeden Fall aber eine Überraschung beinhaltet. Und wenn in der Welt nichts mehr sicher ist: darauf kann man sich verlassen.
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